Auszug aus dem Kapitel „Versammlung der Völker“

………………………………………  Maurah, Maranda und Fanir traten durch das Tor in der Palisade und blickten auf eine Graslandschaft, die von glitzerndem, nebeligem Morgendunst verzaubert wurde. Die Nebelschwaden bewegten sich leicht im Wind, so dass die Ebene lebendig wirkte. Der ausgetretene Pfad war nur wenige Homuae Längen erkennbar und verlor sich dann im silbernen Grau. Maurah blieb stehen und wandte sich Maranda und Fanir zu. „Ich bin mir sicher, dass wir ihn finden können!“ Maranda sah sie an. „Du weißt, wie gefährlich es ist und dass ich beim letzten Mal fast erwischt worden wäre, wenn Karameen nicht geholfen hätte. Bist Du Dir sicher, dass wir es versuchen sollen?“ Maurah überlegte. „Wenn wir es gemeinsam tun, sind wir schneller, stärker, können mehr sehen und uns besser verteidigen, falls etwas passiert. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir gemeinsam jeder Gefahr begegnen können. Glaubt Ihr, wir schaffen dies?“ Fanir nickte und grinste dann. „Wenn wir nicht üben, können wir auch nichts Neues lernen. Lasst uns zum Lagerplatz gehen und es ausprobieren. Es sollte auch nicht allzu schwer sein, da wir von hier aus nur in eine Richtung suchen müssen, in Richtung Süden und Napoda.

Sie rannten so schnell zum Lagerplatz, dass Maranda fliegen musste, um mit Maurah und Fanir mitzukommen. Beide griffen auf ihre Magie zurück, um möglichst schnell vorwärts zu kommen und so flog der Nebel und die in ihm verborgenen Zelte an ihnen vorbei und es dauerte nur wenige Minuten, bis sie den Lagerplatz erreichten.

Das Drachennest war verlassen und die Mitglieder des Bergvolkes befanden sich noch in ihrem Zelten; der Lagerplatz wirkte im Nebel trostlos und nur ein schwach flackerndes Feuer vermittelte etwas Wärme und Freundlichkeit. Fanir nahm zwei Scheite von dem Holzstapel, den Garsten hatte anlegen lassen und kurz darauf züngelten die Flammen wieder höher, spendeten etwas Wärme und vertrieben die Feuchtigkeit des Nebels. Die drei jungen Magae ließen sich am Feuer nieder, bevor Fanir das Wort ergriff. „Ich glaube, wir sollten es anders machen. Wenn wir alle drei unsere Magie auf die Reise schicken und Karrsa suchen, handeln wir wieder als Individuen. Wir sollten Gandaros Rat folgen und diese Aufgabe gemeinsam als ein Team angehen. Was haltet ihr davon, wenn Maurah, die bereits sehr häufig die Magie von ihrem Körper getrennt hat, die Suche übernimmt und Du, Maranda, und ich ihr unsere ganze Kraft zur Verfügung stellen? Falls wirklich etwas passieren sollte, könnten wir dann immer noch, wie Karameen es bei Dir gemacht hat, Maranda, von hier aus eingreifen. Und wenn unsere Artefakte miteinander verbunden sind, werden wir all das wahrnehmen, was auch Maurah wahrnimmt. Was meint ihr?“

Maurah konzentrierte sich und schloss ihre Augen. Es war das erste Mal, dass sie auf die Energien der drei Artefakte zugriff, ohne dass Maranda oder Fanir eine Kontrolle auf Feuerfreund oder Sternenstaub ausübten. Maurah war überwältigt, als die Verbindung zustande kam und ihre magischen Wahrnehmungsfähigkeiten von einem Moment auf den anderen zu explodieren schienen. Auch Maranda und Fanir, die im Hintergrund anwesend waren und alles erlebten, was auch Maurah erlebte, stockte der Atem. Jeder einzelne Grashalm der Nerbischen Grasebene leuchtete in einem schwachen magischen Licht; die ganze Ebene schien aus Milliarden von phosphoreszierenden Punkten zu bestehen. Lebewesen waren bis in weite Entfernung als bunt leuchtende Fackeln zu sehen, die wie Blumen aus dem leuchtenden Teppich hervorragten. Die Magae in Wogende Ebene erschienen als hell leuchtende Bäume magischen Lichts und Maurah war verblüfft, wie viele Magae in dem Dorf waren. Überall ragten sie aus den Auren der Homuae hervor wie Bäume zwischen Büschen. Maurah löste sich mit einer bisher nicht bekannten Leichtigkeit aus ihrem Körper und raste mit übermütiger Fröhlichkeit erst über Wogenden Ebene und dann in Richtung Süden.

Sie bemerkte die dunkle, schwarzgrüne Aura des Wrokorks, der auf einem Pferd in Richtung Osten ritt, als sie noch über einen Tagesmarsch von ihm entfernt war. „Greif an!“ flüsterten Maranda und Fanir fast gleichzeitig in Ihrem Kopf. Maurah orientierte sich. Überall war magische Energie. Jeder Grashalm konnte ihrem körperlosen Wesen die Kraft für einen Angriff zur Verfügung stellen. Maurah schoss auf den Wrokork zu und sammelte die magische Energie von Millionen von Pflanzen auf ihrem Weg. Ihre körperlose Form begann mehr und mehr in der Farbe der Pflanzen zu phosphoreszieren und als sie den Wrokork erreicht hatte, schwebte sie über ihm wie ein großer, aber weit entfernter, schimmernder Stern. Der Wrokork schrie ihr etwas zu, das sie aber in ihrer magischen Daseinsform nicht hören konnte. Dann schoss ein gewaltiger grüner Blitz auf sie zu. Maurah lächelte innerlich und fügte die gewaltigen Angriffsenergien der magischen Energie des Grases hinzu.

Der Wrokork beobachtete, wie die Farbe des schimmernden Balles über ihm einen leichten Grünstich bekam, als sein mächtiger Angriff ohne Wirkung verpuffte. Kurz darauf löste sich ein langsam auf ihn zu wabernder, leuchtender Tentakel aus der Kugel und näherte sich ihm. Der Wrokork griff zu seinem Zweihänder, um mitzuteilen, was hier vor sich ging, aber bevor er das Heft des Schwertes über seiner Schulter erreichte, zuckte der Tentakel vor und hüllte den Arm in das phosphoreszierende Licht. Sein Arm wurde heiß, als Maurah die kleinen magischen Teilchen beschleunigte, aus denen der Arm bestand. Sie griff auf Marandas Wissen zu und verfuhr mit dem Gewebe des Wrokork-Armes wie Maranda das Meer beeinflusst hatte, um die Strömung und den Wind zu ändern. Dem Wrokork kam es vor, als wenn er in Luft griff, bevor er bemerkte, dass sein Arm vom Ellenbogen an aufwärts verschwunden war. Vor Wut schreiend griff er mit der anderen Hand nach dem Schwert und hüllte sich gleichzeitig in einen schimmernden, magischen Schutzschild.

Mach ein Ende!“, flüsterte Fanir und im gleichen Moment wickelten sich die langen, festen Grashalme innerhalb des Schildes zu Hunderten um den Wrokork und drückten zu. Als das Monster zu Boden fiel, befand sich Maurah bereits wieder auf dem Weg in Richtung Süden und dehnte ihre Wahrnehmung weit über die Nerbischen Grasebenen in Richtung Napoda aus. „Ich kann ihn nicht finden. Wenn er hier im Süden wäre, würde ich ihn sehen. Karrsa muss einen anderen Weg genommen haben!“ Dann spürte sie Fanirs Gedanken. „Wir haben nicht richtig nachgedacht! Er muss das Tor zum Goldenen Horn benutzt haben!“  ……………………………………….

..................  Mit einem schrillen Schrei stürzte sich der dunkle Felle auf Karrsa, der nach wir vor bewegungslos auf den Angriff wartete. Glitzernd raste der Karshak in einem beidhändig geführten Überkopfschlag auf den dünnen Hals von Karrsa zu – und schlug in den Boden des Zeltes ein. Mit einer schnellen, kaum sichtbaren Bewegung hatte Karrsa den dunklen Fellen umrundet und stand nun, genauso bewegungslos wir zuvor hinter ihm. Suchend blickte Ergor von einer Seite zur anderen, bevor er sich vorsichtig umdrehte. Er zögerte einen Moment und griff dann erneut mit einem von der Seite geführten Schlag an. Dieses Mal wehrte sich Karrsa. Als der Karshak bis auf eine Fußlänge an ihn herangekommen war, stoppte er plötzlich unvermittelt in der Luft. Ein leichtes blaues Leuchten ging von der Stelle aus, an der die Axt auf das magische Schild getroffen war. In Sekundenbruchteilen erstrahlte das Leuten zu einem gewaltigen, das riesige Zelt füllenden Licht und verwandelte sich dann in einen dicken Stahl, der auf Ergor zuraste und ihn mit so großer Gewalt an der Brust traf, dass er bis an die unterste Sitzreihe geschleudert wurde und dort durch das Holz der Umrandung krachte. Ein großer Splitter ragte aus seiner Schulter, als er sich taumelnd erhob. Langsam ging Karrsa auf seinen Widersacher zu und zog dabei aus einer verborgenen Tasche unter seinem Bauch zwei lange, zweischneidige und sehr dünne Klingen, die er sich über die vordersten seiner Beine stülpte und mit einem Lederband fixierte. Das Anlegen der Klingen geschah in einer schnellen und überaus eleganten Bewegung, die ein Raunen unter den Zuschauern verursachte.  …………………………………………